02/07/2024 0 Kommentare
Vor 60 Jahren: Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils
Vor 60 Jahren: Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils
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Vor 60 Jahren: Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils
Erinnerungen an die Liturgiereform aus der Sicht eines Ministranten
Am 4. Dezember 1963 beschloss das II. Vatikanischen Konzil die Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ über die heilige Liturgie. Sie brachte die auffallendsten Veränderungen in den Gemeinden, etwa den Gebrauch der Muttersprache und die Feier der heiligen Messe „zum Volk hin“.
Als Messdiener war ich dicht dran. Mitzuerleben, wie aus der „alten Liturgie“ die „neue Liturgie“ wurde, förderte meine Sensibilität für liturgische Echtheit und Stimmigkeit. Manches war befremdlich erschienen und wurde geändert, etwa wenn der Priester 25-mal murmelnd ein Kreuzzeichen über die eucharistischen Gaben auf dem Altar machte. Das Stufengebet zu Beginn entfiel, bei dem wir Messdiener dem Priester kniend mit auswendig gelernten, aber unverstandenen lateinischen Sprüchen „antworteten“. Das Messbuch brauchte nicht mehr von der rechten auf die linke Altarseite umgetragen zu werden und nach der Kommunion zurück. Vor der Reform war die Predigt in der Messe nicht verpflichtend; wenn gepredigt wurde, ging mancher hinaus und rauchte, und wenn der zelebrierende Priester nicht selbst predigte, brauchte er nicht zuzuhören, sondern betete sein Brevier. Die heilige Messe durfte nicht mehr, wie vordem, vor „ausgesetztem Allerheiligsten“ gefeiert werden, also während die Monstranz mit der geweihten Hostie auf dem Tabernakel stand.
Mir erschienen neben der Einführung der Muttersprache folgende Bestimmungen des Konzils am bedeutsamsten:
- „Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein.“
- „Der Mess-Ordo soll so überarbeitet werden, dass der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde.“ Vorher hatte der Priester am Altar die Liturgie unhörbar „gelesen“, die Gemeinde schwieg, sang Lieder, betete „Messandachten“ (bei denen ich als „Vorbeter“ von der Orgelbühne herab mitgewirkt habe) oder sogar während der Messe den Rosenkranz.
- „Klerikern und Ordensleuten wie auch Laien kann die Kommunion unter beiden Gestalten gewährt werden.“
Es begann eine Zeit der „Experimente“ und Zwischenlösungen. Überall gab es Priester, die sich gründlich informierten und austauschten. Wir Messdiener trugen sonntags zur Frühmesse einen hölzernen Altar in den Chorraum, wo der Subsidiar dann „mit dem Gesicht zum Volk“ zelebrierte. Dann kam der Altar wieder weg, weil der Pfarrer das zwar tolerierte, aber in der nächsten Messe selbst lieber weiter am Hochaltar feierte.
Die heilige Messe gewann für mich ungemein an Eindeutigkeit und Klarheit. Es war jetzt nicht mehr ein geheimnisvolles Hantieren des Priesters am Altar, sondern der Altar stand als „Tisch des Herrn“ inmitten der Gemeinde, der Priester vollzog transparent die Riten, in denen uns Christus seine bleibende Gegenwart zugesagt hatte. Wir erkannten in den neuen Formen „im Glanz edler Einfachheit“ das Geheimnis Gottes intensiver, aber nicht weniger andächtig. Erst recht bei den Gruppenmessen im kleinen Kreis, wie sie etwa im Rahmen der Jugendarbeit (bei mir: der „ND“ ‑ „Bund Neudeutschland“, heute Katholische studierende Jugend) jetzt gefeiert werden konnten, oft als „Tischmesse“ mit Kelchkommunion. Ich empfinde rückblickend bis heute: Was das Konzil mit seiner Liturgiekonstitution bewirkt hat, war ein großer Gewinn.
Franz-Josef Esser
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